Ermittlung gegen mögliches Reifenkartell: Kommission durchsucht Beratungsunternehmen in mehreren EU-Ländern | Fieldfisher
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Ermittlung gegen mögliches Reifenkartell: Kommission durchsucht Beratungsunternehmen in mehreren EU-Ländern

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Die EU-Kommission (Kommission) hat ein weiteres Mal Durchsuchungen im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen ein mögliches Autoreifenkartell durchgeführt. Diesmal traf es ein internationales Beratungsunternehmen, dessen Büros in zwei Mitgliedsstaaten unangekündigt durchsucht wurden. Der Name des Unternehmens wurde nicht preisgegeben. Die Kommission vermutet, dass Reifenhersteller, möglicherweise unter Beteiligung des Beratungsunternehmens, in der Lage waren, Preise und Verhaltensweisen durch öffentlich geteilte Informationen zu koordinieren.

Verdacht auf Bestehen eines Autoreifenkartells

Bereits im Januar hatte die EU-Regulierungsbehörde unangekündigte Razzien bei namenhaften Reifenherstellern wie Goodyear, Continental, Bridgestone und Nokian durchgeführt. Diese Unternehmen sind allesamt Anbieter neuer Ersatzreifen für Pkw, Kleinlastwagen, Lkw und Bussen im Europäischen Wirtschaftsraum. Für diesen Absatzmarkt besteht der Kartellverdacht.

So hieß es zu Beginn des Jahres in einer Pressemitteilung: "Die Kommission hat Bedenken, dass die aufgesuchten Unternehmen gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen haben könnten, die Kartelle und wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen verbieten (Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union)." Der Kommission lägen Verdachtsmomente vor, dass die betroffenen Unternehmen auch über öffentliche Verlautbarungen ihre Preise untereinander abgestimmt haben könnten.

Die Kommission verfolgt in diesem Zusammenhang auch eine Kartelluntersuchung zu Starterbatterien, bei der der Dienstleister Kellen zu den Beschuldigten gehört.

Beratungsunternehmen im Visier der europäischen Wettbewerbsermittler

Die Kommission durchsuchte vor diesem Hintergrund gestern die Geschäftsräume eines Beratungsunternehmens in zwei EU-Ländern, weil sie vermutet, dass es eine Rolle in dem möglichen Autoreifenkartell gespielt haben könnte. Es besteht der Verdacht, dass das Beratungsunternehmen mutmaßliche Preisabsprachen zwischen Reifenherstellern – die angeblich auch öffentliche Kommunikationskanäle für ihre Kollusion nutzten – unterstützt oder angeregt haben könnte.

"Die Kommission ist besorgt, dass das Beratungsunternehmen die mutmaßliche Preisabsprache zwischen den Reifenherstellern erleichtert oder angestiftet haben könnte, die angeblich auch öffentliche Kommunikationskanäle für Absprachen nutzten", heißt es in einer diesbezüglichen Presseerklärung der Kommission.

Die Kommission erklärte, dass die Razzien gemeinsam mit den nationalen Wettbewerbsbehörden der 27 EU-Länder durchgeführt wurden.

Ausblick und Einschätzung

Bemerkenswert an diesem Vorgehen ist nicht zuletzt, dass es sich bei dem durchsuchten Beratungsunternehmen lediglich um einen Gehilfen der potenziellen Kartellanten handelt und somit nicht um einen Marktteilnehmer selbst. Denn auch Unternehmen in Unterstützerrollen können für ihr wettbewerbsschädliches Verhalten haftbar gemacht werden, das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits klargestellt. Unabhängig davon, ob die Gehilfen auf dem Markt tätig sind, auf den sich die Kartellabsprache ausgewirkt hat, können Bußgelder gegen sie verhängt werden (so der EuGH beispielsweise in der Rechtssache AC Treuhand II aus 2015). In diesem Kontext stehen auch immer wieder Branchenverbände in der Rolle der Ermöglicher von Kartellen im Fokus von Ermittlungen.

Weiterführende Links

Pressemitteilung der Kommission zur aktuellen Durchsuchung (18. Juni 2024)

Pressemitteilung der Kommission zur vorherigen Durchsuchung (30. Januar 2024)

Urteil des EuGH C-194/14 P in Sachen AC Treuhand (22. Oktober 2015)

Spezialgebiete

Kartellrecht